Flexibilisierung der Produktion

Christian - 06.07.21 08:07

Wie sich die globale Nachfrage und die Märkte in den kommenden Monaten und Jahren tatsächlich entwickeln werden, ist derzeit noch schwer einzuschätzen und stellt auch eine nicht nur pandemiebedingte Fragestellung dar. Vor dem Hintergrund dieser unsicheren Entwicklung muss es zum Pflichtprogramm produzierender Unternehmen gehören, kurzfristig wirkende Maßnahmen zur Effizienzverbesserung in der Produktion zu ergreifen und zu versuchen, die bestehenden Kapazitäten flexibler zu nutzen.


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Kapazitäten flexibel nutzen

Aktuell liegen bei vielen Unternehmen prinzipiell zur Verfügung stehende Produktionskapazitäten brach – vor allem als Folge des Lockdown-bedingten Nachfragerückgangs. In einigen Märkten dürfte es allerdings schon recht bald zu einem regelrechten Nachfrageboom kommen, der die Produktion vor erhebliche Probleme stellen wird. Produzierende Unternehmen sind daher gut beraten, sich generell auf stark schwankende Kundenbedarfe und Volatilitäten in der Nachfrage vorzubereiten.

Grundsätzlich können produzierende Unternehmen hier mehrere Stellhebel in Betracht ziehen:

  • Hoch im Kurs stehen vor allem die zahlreichen Möglichkeiten der Personalflexibilisierung. Zur Wahl stehen hier sowohl Instrumente zur Optimierung der Arbeitszeit-Flexibilität (Kurz-, Mittel- und Langfrist-Konten, Überstunden und Kurzarbeit, Anpassungen des Schichtmodells) als auch Maßnahmen zur Flexibilisierung des Arbeitskräfte-Einsatzes (Zeitarbeitskräfte, befristete Beschäftigung, Springer, Bereichsverschiebungen). Die Rahmenbedingungen für den Einsatz dieser Instrumente sind i.d.R. vorhanden, im Eventualfall lassen sich die verschiedenen Optionen also sehr kurzfristig nutzen.

  • Eine weitere Möglichkeit, um sich gegen Bedarfsschwankungen zu wappnen, besteht darin, strategische Partnerschaften einzugehen und sich darüber eine Art „verlängerte Werkbank“ aufzubauen.

  • Zunehmend an Bedeutung gewinnt die regelmäßige Überprüfung der jeweils geltenden „Make or Buy“-Entscheidung. Der Gedanke dahinter ist, dass neue Anbieter oder der technische Fortschritt ja vielleicht interessante Optionen bieten, um bisher selbst erstellte Komponenten kosteneffizient outzusourcen und die eigene Produktion auf eine geringere Nachfrage neu auszurichten. Darüber hinausgehende Spitzenbedarfe lassen sich über zuvor ausgehandelte Rahmenverträge mit passenden Lieferanten gezielt zukaufen.

  • In vielen Fällen kann es zudem sinnvoll sein, ein bestimmtes Basisvolumen über automatisierte Anlagen hocheffizient zu fertigen, während die Bedarfsspitzen jeweils über weniger automatisierte, aber flexible Anlagen/Linien zuverlässig abgefangen werden.

Zu wenig Beachtung findet nach unseren Erkenntnissen bislang noch ein Lösungsansatz zur Flexibilisierung der Produktion, der in Zukunft für die Wettbewerbsfähigkeit produzierender Unternehmen wohl von zentraler Bedeutung sein wird: der Aufbau einer modularen, wandlungsfähigen Produktion.

 


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Flexibilisierung durch Modularisierung

Die derzeitigen Fertigungsanlagen sind in der Regel noch auf ein spezielles Produkt und eine bestimmte Produktionsmenge ausgelegt. Fortschritte in der Technologie machen es möglich, dass in einer Fertigungskette künftig eigenständige Module jeweils spezifische Aufgaben übernehmen – zum Beispiel das Pressen, das Bohren oder die Montage. In jedem Modul ist neben dem benötigten Werkzeug auch die Fähigkeit implementiert, sich selbst zu konfigurieren und alle Fertigungsabläufe mit den Nachbarmodulen abzustimmen. Die einzelnen Fertigungsmodule werden in einem „Plug-and-Produce“-Ansatz zusammengesetzt. Auf diese Weise kombiniert ergeben die Module ein in sich stimmiges, von vornherein auf Flexibilität ausgerichtetes Produktionssystem. Bei einer Produktionsumstellung werden einfach neue Module hinzugefügt, nicht mehr benötigte werden entfernt.

Eine wandlungsfähige Produktion nach dem „Plug-and-Produce“-Ansatz ermöglicht es Unternehmen, auf Schwankungen der Nachfrage schneller und besser zu reagieren als bisher. Die Produktionsverantwortlichen erhalten auf einmal die Chance, kleine Losgrößen und kundenindividuelle Produkte zu Kosten der Serienproduktion anzubieten. Weil sich die Maschinen schneller an neue Gegebenheiten anpassen lassen, ist es mit diesem Ansatz zudem möglich, den ständig kürzer werdenden Produktlebenszyklen wirksam zu begegnen. In Summe bietet dieser Lösungsansatz einer Produktionsflexibilisierung eine Vielzahl attraktiver Vorteile:

  • Die Lösung ist extrem flexibel und wandlungsfähig
  • Es handelt sich um ein selbstregulierendes System
  • Die Inbetriebnahme erfolgt in kürzerer Zeit und erfordert weniger Aufwand
  • Kürzere Time-to-Market
  • Reduzierung der Zeit- und Kostenaufwände im Engineering und bei der Industrialisierung
  • Verbesserte Kapazitätsauslastung der Produktionsanlage
  • Kürzere Umrüst- und Produktumstellungszeiten
  • Geringe Wartungs- und Instandhaltungsaufwände
  • Niedriger Ressourcenverbrauch (Energie, Rohstoffe, Personal, etc.);
    Maschinen dokumentieren ihren tatsächlichen Energieverbrauch

Die Trends & Treiber, Vorteile und Voraussetzungen sind in der Abbildung 1 nochmals zusammengefasst dargestellt.

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So beeindruckend diese Vorteile sind – einen kleinen Wermutstropfen gibt es: Bestehende Produktionsanlagen und Montagelinien können in der Praxis nur sehr schwer zu flexiblen Linien umgebaut werden. In den allermeisten Fällen brauchte es sehr viel Programmieraufwand, um die „alten“ Maschinen aufeinander abzustimmen. Da lässt sich jetzt nicht so ohne Weiteres ein anderes Modul hineinschieben. Wir können Produktionsverantwortliche daher nur dazu ermutigen, ihre aktuellen Industrialisierungsvorhaben auf den Prüfstand zu stellen und einmal selbstkritisch zu hinterfragen, welche der aktuell geplanten Linien vielleicht von Anfang an konsequent auf Flexibilität und Modularisierung hin ausgelegt werden könnten. Wir sind überzeugt: Wer Risiken und Vorteile einmal vorurteilsfrei gegeneinander abwägt, wird in den meisten Fällen feststellen, dass die Vorteile überwiegen – insbesondere im Hinblick auf Zukunftsrobustheit.

 

Know-how-Defizite beeinträchtigen eine schnellere Verbreitung

In weiten Teilen der Industrie wissen die Verantwortlichen die Möglichkeiten einer modularen, wandlungsfähigen Produktion bis jetzt offenbar noch nicht richtig einzuschätzen. Oder sie zögern mit der Umsetzung, weil sie sich nicht sicher sind, ob die Modul-Lösung auch tatsächlich reibungsfrei funktioniert. In unseren Projekten versuchen wir daher, den Produktionsverantwortlichen ihre Innovationsscheu zu nehmen, indem wir von der ersten Idee bis zum späteren Ramp-up der neuen Anlage echten Mehrwert liefern.

Ein typisches Projekt zum Aufbau einer modularen Produktion besteht aus drei Phasen (Abbildung 2):

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Zu Beginn – in der Innovationsphase – bewerten wir gemeinsam mit dem Kunden, welche Potenziale zur Modularisierung bzw. zu einer wandlungsfähigen Produktion es im Unternehmen überhaupt gibt. Wir überprüfen das Produktportfolio und beurteilen, wo Modulkonzepte Sinn machen und wo dies eher nicht zu empfehlen ist.

In der anschließenden Effizienzphase entwickeln und konzeptionieren wir – dort wo es passt und gewünscht ist – gemeinsam mit dem Kunden eine entsprechend wandlungsfähige Anlage. Mit dem Konzept treten wir dann auch an technische Lieferanten heran. Bei mehreren Lieferanten übernehmen wir – falls vom Kunden gewünscht – auch deren Orchestrierung.

In der eigentlichen Umsetzungsphase sorgen wir mit unserer Erfahrung und Methodenkompetenz für eine kurze Inbetriebnahme der neuen Anlage. Auf Wunsch übernehmen wir auch die Projektleitung und stellen durch fortlaufende Projekttransparenz, konsequentes Aufgaben- und Maßnahmencontrolling sowie eine permanente Fortschrittskontrolle den Anlauf der modularen Produktionsanlage sicher.

Noch stecken die technologischen Lösungen in den Kinderschuhen, manches mag noch sehr nach Zukunftsmusik klingen. Wir sind allerdings fest überzeugt: Vor dem Hintergrund zunehmender Nachfrageschwankungen, immer kürzerer Innovations- und Produktzyklen sowie des fortgesetzten Trends zur Individualisierung werden produzierende Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit in Zukunft nur aufrechterhalten können, wenn sie konsequent in die Modularisierung investieren und sich zeitnah auf diesen Weg begeben. Wer zu lange damit wartet, wird den Rückstand gegenüber Wettbewerbern kaum mehr aufholen können.

 

 


 

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